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Edition Ornament
Christian Rosenau. Nadelstich und Schlangensprache

 

"Der Sandmann"
Radierung von Ulrike Theusner

Christian Rosenau
Nadelstich und Schlangensprache.
Gedichte mit sechs Zeichungen
von Ulrike Theusner

Hrsg., gestaltet und mit einem Nachwort
versehen von Jens-Fietje Dwars
104 Seiten, Engl. Broschur
mit handmont. Etikett
in Prägung,
Terrakotta-Vor- und Nachsatzpapier,
orangener Lesefaden,
Zeichnungen in Sepia und Schwarz,
500 num. Expl.

50 Vorzugsexemplaren liegt je eine
signierte
Radierung "Sandmann"
von Ulrike Theusner bei,
die Manfred Wolf auf Hahnemühlen-Bütten
gedruckt hat.


ISBN 978-3-943768-88-6

Vorzugsausgabe Nr. 1-50: EUR 69,90 EUR
Normalausgabe Nr. 51-500: EUR 15,90 EUR

Zu bestellen beim Herausgeber.





Drei der sechs Zeichnungen von Ulrike Theusner,
in Sepia und Schwarz gedruckt.

Der Musiker Christian Rosenau und die Malerin Ulrike Theusner sind Kinder der 1980er Jahre, der „Wende“. Sie wuchsen hinein in die Öffnung ins Freie. Eine glückliche Generation, sollte man meinen. Doch das Offne ist auch das haltlos Ungewisse. Diese Glückskinder sind Erben gescheiterter Träume. Und die Begabtesten unter ihnen, die mit Feingefühl Geschlagenen, spürten früh den Verlust im Gewinn: die doppelt verlorenen Hoffnungen und Illusionen. Brüchig sind ihre Texte und Bilder, wie die Welt, deren Melodie sie einfangen. Oft melancholisch getönt, verstörend zuweilen, doch nie sich im Jammer gefallend. Kraftvoll, unverbraucht: zwei Künstler, von denen wir noch Gewichtiges erwarten dürfen.

 


Nachwort

Vom Juckreiz der Bilder
Wenn es stimmt, dass jedes wahre Gedicht ein Geheimnis hat, das es unergründlich, also unendlich ausdeutbar macht, dann sind diese Nadelstiche in Schlangensprache wahrhaftige Dichtung: enigmatisch, wie der Kenner raunt, rätselhaft, flüchtig wie der Wind, ein Wispern, leise unaufdringlich, und doch präzise, genau gearbeitet, streng gebaut. Kunstgebilde, organisch verwoben, eine Komposition aus Worten, die Verborgenes anrühren. Dem Gesang von Schamanen verwandt, Poesie als Akupunktur, die in den Nerv der Zeit sticht, um aufgestaute Energien wieder ins Fließen zu bringen. Oder anders: Übungen im Heimatmen, Versuche, sich der Wurzeln zu versichern, der ausgerissenen, in einem schuppigen Land, das sich permanent häutet.
Da ist von etwas die Rede, das auch die Zeichnerin umtreibt. Beide gehören einer Generation an: Christian Rosenau, 1980 in Weimar geboren, hat Klassische Gitarre studiert und lebt als freischaffender Musiker, Musikpädagoge und Lyriker in Coburg. Ulrike Theusner wurde 1982 in Frankfurt/Oder geboren, ist in Weimar aufgewachsen und hat dort die Bauhaus-Universität absolviert. Später ging sie nach Nizza, fand Galeristen in Paris und New York.
In der DDR geboren, erlebten beide als Kinder den Auf- und Umbruch, der heute nur „Wende“ heißt, wuchsen hinein in die Öffnung ins Freie, verkörpern geradezu dieses Hineinwachsen ins Offene. Eine glückliche Generation, sollte man meinen. Doch das Offne ist auch das haltlos Ungewisse, das Andere, wonach sich die Generation ihrer Eltern sehnten, ohne darauf vorbereitet gewesen zu sein. Diese Glückskinder sind Erben gescheiterter Träume. Und die Begabtesten unter ihnen, die mit Feingefühl Geschlagenen, spürten früh den Verlust im Gewinn: die Hoffnung, die dem zerfallnen Staat einmal zugrunde lag, die sich in den Drill von Fahnenappellen verkehrt hatte, in den Pioniergruß, der mit erhobener Hand eine Furche ins Hirn zog, und dennoch nachhallte im Kinderlied von der Heimat, die mehr sei als die Städte und Dörfer ...
Diese Generation des Umbruchs ist nirgends zuhaus, weder in der alten, noch in der neuen Welt, eben weil ihr beide als fertige Muster übergestülpt wurden, ohne eigene ausbilden zu können. Sie sind angespült in diese Zeit, sie wissen, dass die Wurzel ... krank war, sie sahen 1989 auf andere Art hoffnungstrunkene Gesichter mit Kerzen bewaffnet, und sie erlebten die Erosion jeglicher Autoritäten, den Zerfall der bärtigen Büsten, die leere Sockel hinterließen.
Als Musiker spielt Christian Rosenau dieser brüchigen Welt ihre eigne Melodie in Worten vor, Worte, die an Schnüren hängen, viel gebraucht, vor Missbrauch nicht geschützt. Indem er die überkommenen Wörter wie Fremdkörper behandelt, sie aus gewohnten Zusammenhängen herauslöst und neu kombiniert, bringt er sie in unverbrauchten Bildern zum Leuchten: da ist von Augenfell die Rede, von der Fontanelle des Mondes, den Kiemen der Stadt, von der Klinge des Mittags und Gedächtnismedusen. Bilder, die sich eingraben, die als Juckreiz im Leser weiterwirken, als anhaltende Verunsicherung. Oft melancholisch getönt, doch nie sich im Jammer gefallend. Und wer hat je so abgründig schön den Raps besungen, diese fraglos blühenden Landschaften der Agrarindustrie, die Metastasen der Wachstumsgesellschaft, wo der Wolf ... durchs Feld zieht und das Rattern immer näher kommt ...
Ulrike Theusner hat als Modell die Glanz- und Kehrseiten der schönen neuen Glitzerwelt kennengelernt und zeigt beides in ihren Bildern. Sie illustriert die Gedichte nicht. Bild und Text erzeugen vielmehr eine spannungsvolle Einheit, die beide potenziert. So folgen wir gern dem Wanderer, der uns eingangs ins Offne lockt, um zuletzt seinen eigenen Weg zu gehn.


Pressestimmen

Wenn Lyrik die Kunst ist, mit Worten zu musizieren, so trifft dies auf Christian Rosenau ganz besonders zu. Rosenaus Wort-Kunst lebt vom Klang und den Bildern, die sie beschwört - oftmals ungewöhnlichen, verrätselten Bildern, die entschlüsselt werden wollen, die dazu einladen, hineinzuhören in den Rhythmus der Silben und Worte.
Jochen Berger, Coburger Tageblatt.

Schlaglichtartig, assoziativ, bilderfrisch tmd sprachfunkelnd reflektiert Christian Rosenau Erlebtes, Erspürtes, Erträumtes. Fokussiert die große Geschichte mit dem persönlichen Teleskop, erzählt zwischen den Zeilen von Aufbruch und Abbruch, von Hoffnungen und Enttäuschungen und von den Strategien des Weiterlebens ... bedachtsame, hintergründige, oftmals verrätselte Poeme, die voller Musikalität stecken und von einem feinen Sensorium für die Welt zeugen, ... von der Weimarer Künstlerin Ulrike Theusner kongenial illustriert.
Neue Presse, Coburg


Um es gleich vorweg zu nehmen. Der schmale Band ist ein Fest für die Sinne und den Verstand. Vielleicht liegt das an der Doppelbegabung Rosenaus, der Musiker und Dichter in einem ist. Der Rhythmus seiner Gedichte, ihr musikalischer Fluss paart sich mit einer sicheren Bildsprache und einem klaren Aufbau der Gedichte. Sie sind akkurat gearbeitet, nicht das kleinste Detail wird dem Zufall überlassen. Doch die Spuren des Handwerklichen sind nicht mehr sichtbar. Es ist allein der Atem des Lyrikers zu spüren. (...)
Die aufsteigenden Kindheitserinnerungen und frühen Bilder werden solange beatmet, bis sie Teil der Heimat und des Gedichts werden. So gelingt Christian Rosenau etwas bislang für unmöglich Gehaltenes: In seinen Gedichten wird das, was jedem in die Kindheit scheint und später nicht festzuhalten ist, eben das, was Ernst Bloch „Heimat“ nannte, als Bild und Klang manifest.
Im rhapsodisch anmutenden Gedichtzyklus "unsere Heimat" erzählt Christian Rosenau, wie seine Generation die letzten drei, vier Jahre der DDR in der Schule, wie sie die Demonstrationen im Herbst 1989, die deutsche Vereinigung und das Erwachsenwerden erlebte. Wohl nie zuvor hat ein Lyriker beschrieben, wie Kinder den Übergang von der geschlossenen in die offene Gesellschaft reflektiert haben, wie sie mit den Verunsicherungen ihrer Eltern und Lehrer leben mussten, wie der Schein der Kerzen in ihnen Hoffnungen weckte, die nie erfüllt wurden und wie sie bis heute den „Weg ins Offene“ zugleich als Chance für ein gewinnendes Leben und als Gefahrenzone empfinden. (...)
In seinen schönsten Gedichten wie "des Regens dünne Schrift", "im Kiesbett der Silben" und "Aufbruch" findet er zu einer wundersamen Verschmelzung von „äußerer und innerer Wirklichkeit“. Diese feine Mischung von „Realem und Phantastischem“ findet sich auch in den Zeichnungen der Weimarerin Ulrike Theusner.
Die lyrischen und die gezeichneten Bilder ergänzen einander spannungsvoll. Sie kommunizieren mit einander. Christian Rosenaus Nadelstich und Schlangensprache sei allen Lyrik-Freunden wärmstens empfohlen.
Dietmar Ebert, Palmbaum, Heft 2/2018


Am pointiertesten und kunstvollsten (arbeitet Rosenau) zweifellos im Zyklus „unsre Heimat“, der das Ende der DDR und die ersten Jahre der deutschen Einheit in Form schlaglichtartiger Reminiszenzen der Schuljahre ’86 bis ’95 in Szene setzt. Ohne Verklärung, ohne Lamento und ohne die Attitüde objektiv-distanzierter Historisierung, doch nadelspitz in den lakonischen Schlusswendungen, die sich wie Widerhaken ins Gedächtnis bohren. (...) So knapp, so gekonnt wird die Sprache des ‚erinnerten‘ Einst und des ‚erlebten‘ Jetzt gesiebt und gesichtet – mit offenkundiger Freude an der Sache und stets überzeugendem Ergebnis. Sprachspielerisch etwa in den „Rapsodien“, zehn wort- und bildgewaltigen Variationen zum Thema Raps: „Raps, wohin das Auge schäumte, / Raps // und Häuser, Inseln, Rispenmeere / schimmerten heran, / Dächer, Türme, Kirchenschiffe / kenterten mit Huhn und Hahn“. Mitunter aber auch mittels befreiender Komik, so im bitterbösen „Jagdnotat“: „kein Schuss nur die Axt / aus der Zunge // mein Kind.“ Komik und Bitternis verbinden auch die Zeichnungen Ulrike Theusners, die dem sorgsam ausgestatteten Band beigegebenen sind .... Überaus passend dazu die bibelschwarze Broschur der Edition Ornament mit dem dunkelrot züngelnden Lesebändchen. Buchgestalterisch lässt sich die Luzidität der Texte kaum wirkungsvoller in Szene setzen – auch für bibliophile Leser wahrhaft die helle Freude!
Stefan Borchers, Ostragehege (II/2019)



Nächste Lesung aus dem Buch:

Siehe die Autorenseite.








 


 

Herstellung: poliTEXTbüro Update: 22.06.2019